Geschichte des Frankenburger Würfelspiels
Als im Mai 1625 - zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges - in Frankenburg ein römisch katholischer Geistlicher eingesetzt werden sollte, kam es zum bewaffneten Aufstand der seit vielen Jahren evangelischen Bevölkerung.
Diese Rebellion wurde jedoch nach drei Tagen wieder aufgegeben, da der bayerische Statthalter Adam Graf von Herberstorff "Gnade" versprach, falls die Aufständler ohne Wehr und Waffen zum Haushamerfeld kommen. Diese "Gnade" war jedoch schrecklich: 36 Ausschussmänner mussten paarweise um ihr Leben würfeln. Die Hälfte von ihnen fand den Tod durch den Strick. Dieses grausame Ereignis war Auftakt zu den oberösterreichischen Bauernkriegen.
Es begann mit dem Wunsch nach einer Fahne…
Die mittlerweile 100jährige Geschichte der "Würfelspiel"-Aufführungen fing mit einer eigentlich banalen Anekdote an: Als 1921 der Deutsch-Völkische Turnverein Frankenburg gegründet wurde, schielten die Turnvater-Jahn-Jünger ein wenig neidvoll auf die neuen Fahnen der örtlichen Sozialdemokraten und des Bergarbeiter-Vereins. Den Turnern war klar: Auch sie wollten sich mit einer Fahne schmücken. Doch wie konnte man die finanzieren? Rasch war eine Idee geboren: Der junge Verein nützte seine guten Kontakte zum damals sehr bekannten Schriftsteller Karl Itzinger und ersuchten ihn, doch ein Theaterstück zu verfassen, das die Geschehnisse auf dem Haushamerfeld im Jahr 1625 zum Inhalt hatte. Itzinger schien dafür prädestiniert, hatte er doch gerade mit seinem Roman "Der Bauerntod" einen regionalen Bestseller gelandet. Das Theaterstück sollte 1925, zum 300. Jahrestag des "Blutgerichts auf dem Haushamerfeld", in Frankenburg aufgeführt werden. Mit den Einnahmen daraus wollte der Turnverein schließlich die begehrte Fahne anschaffen.
Und so führten am 9. August 1925 rund 100 Laiendarsteller und zwei Schauspieler des Linzer Landestheaters auf einer improvisierten Bühne vor dem sogenannten "Taitl-Keller" (heute Kreuzung Badstraße/Rainerweg) zum ersten Mal "Das Frankenburger Würfelspiel" auf. Das Stück wurde zu einem großen Erfolg: Außer den vier geplanten Vorstellungen mussten noch zwei Zusatzaufführungen gespielt werden. Die Vereinsfahne konnte also in Auftrag gegeben werden.
Damit war vorerst Schluss mit dem "Frankenburger Würfelspiel" am Ort seiner Entstehung. Erstens war der Zweck erfüllt, zweitens hatten nicht alle Frankenburger ungetrübte Freude mit dem Aufgreifen des eigentlich unangenehmen historischen Stoffs. Vor allem von katholischer Seite gab es Widerstände, die bis weit in die 1950er Jahre hineinreichten.
Allerdings wurde das "Würfelspiel" nach 1925 an mehreren anderen Orten gezeigt. Autor Karl Itzinger ging damit quasi auf Tournee, die ihn u.a. nach Freistadt, Ried, Wels, Passau, Gaspoltshofen und Eberschwang führte. Zweifelhafte Berühmtheit über Oberösterreich hinaus erlangte "Das Frankenburger Würfelspiel" dann 1936: Joseph Goebbels hatte seinen Theaterreferenten Eberhard Wolfgang Möller beauftragt, ein "nationales Weihespiel" zu verfassen, das die Ereignisse des Mai 1625 zum Thema hatte. Und so wurden die Olympischen Sommerspiele in Berlin am 2. August 1936 auf der riesigen Dietrich-Eckart-Bühne mit einem "Frankenburger Würfelspiel" eröffnet. 10.000 Besucher wohnten dem pathetischen Spektakel bei, das mit dem Itzinger-Stück nur wenig gemein hatte.
Zurück nach Frankenburg: Durch den neuen Bekanntheitsgrad ermutigt, arbeiteten vor allem nationalsozialistisch gesinnte Leute an einer Neuauflage des Würfelspiels von 1925. Dafür wurde im Ortsteil Leitrachstätten eine neue Spielstätte geschaffen, auf der 1938 und 1939 die ersten Aufführungen stattfanden. Dann unterbrach der Krieg alle weiteren Bemühungen.
Erst 1952 gab es die nächsten Vorstellungen. Zu groß waren in Frankenburg und darüber hinaus die Bedenken und Widerstände gegen eine Fortsetzung der Würfelspiel-Aufführungen: Das Stück war durch die nationalsozialistische Propaganda, durch die NS-Vergangenheit Karl Itzingers und durch die antiklerikale Positionierung zu sehr belastet. Erst tiefgreifende Textänderungen und eine Neubearbeitung durch den Lehrer Franz Neudorfer sowie die Bemühungen um die Einbindung breiter Bevölkerungskreise in die Durchführung der Spiele zerstreuten schließlich die Vorbehalte. Ab 1953 wurde "Das Frankenburger Würfelspiel" im 2-Jahres-Rhythmus aufgeführt - mit jeweils acht bis zehn Vorstellungen pro Saison. Den aufeinander folgenden Regisseuren Franz und Rudolf Neudorfer (ein Brüderpaar) gelang es, den Fokus des Spiels auf die Bedeutung der Gewissens- und Glaubensfreiheit zu lenken - was durchwegs positives mediales Echo fand und sich in großem Publikumsinteresse niederschlug. Nach Rudolf Neudorfers frühem Tod übernahm dessen Sohn Michael Neudorfer 1989 die Regie und bearbeitete den 37 Jahre alten Text neu. Damit war ein Bann gebrochen: Auch seine Nachfolger Alois Pillichshammer und Hans Gebetsberger wagten sich an Neuinszenierungen heran. All diese neuen Impulse taten dem Stück gut und unterstrichen seine zeitlos aktuelle Botschaft: Durch die authentische Darstellung des Geschehens von 1625 und durch die lebendige Dramaturgie soll den Besuchern bewusst werden, wie wertvoll die Errungenschaften der Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte sind.
Der veranstaltende Verein, die an die 900 Mitlgieder umfassende Würfelspielgemeinde Frankenburg, ist sich der Belastungen durch die "braune" Prägung der Anfangsjahre durchaus bewusst und legt großen Wert auf einen offenen, kritischen Umgang mit dieser Vergangenheit. Davon zeugt zum einen das Museum "Mensch.Macht.Geschichte" im Frankenburger Würfelspielhaus, zum anderen die klare Botschaft des Spiels: Es braucht das permanente Bemühen um die Durchsetzung und Wahrung der elementaren Grundrechte der Menschen. Mit ihrem Spiel will die Würfelspielgemeinde einen Beitrag zu einer toleranten, weltoffenen und demokratisch gesinnten Gesellschaft leisten.
Einen längeren Artikel über die Geschichte der Würfelspiel-Aufführungen finden Sie hier.
Als vertiefende Lektüre empfehlen wir das neue Buch „Vom Blutgericht zum Würfelspiel“ von Martin Kaiser, das im Würfelspielhaus und im Buchhandel erhältlich ist.